Seit ihrer Geburt ist Estella besonders. Mit zur Hälfte weißen und schwarzen Haaren auf die Welt gekommen, ist schon ihr Aussehen ein klares Statement. Und das lebt sie auch schon als kleines Kind, wenn sie gegen gängige Vorstellungen der Welt rebelliert...
Seit ihrer Geburt ist Estella besonders. Mit zur Hälfte weißen und schwarzen Haaren auf die Welt gekommen, ist schon ihr Aussehen ein klares Statement. Und das lebt sie auch schon als kleines Kind, wenn sie gegen gängige Vorstellungen der Welt rebelliert. Frühzeitig entdeckt sie ihr Faible für das, was die Welt als Mode bezeichnet. Allerdings sieht sie die Dinge durchaus mit anderen Augen. Sehr zum Leidwesen ihrer Mutter, die sich eigentlich nur wünscht, dass ihre nicht ganz gewöhnliche Tochter ohne Hänseleien durch die Schule kommt und sich weitgehend anpasst. Estella aber hat „Cruella“, ein zweites Ich, das immer dann zum Vorschein kommt, wenn die Situation es erfordert. Beispielsweise, wenn man Estella blöd kommt.
Und so entwickelten sich zu einem sehr selbstbewussten kleinen Mädchen. Dies wiederum sehr zum Leidwesen des Schuldirektors, der Estella ständig aus Prügeleien holen muss. Denn: Estella ist schon 1964 eine Art Vorzeigefeministin. Doch irgendwann ist im Klassenbuch kein Platz mehr für neue Einträge und der Rektor will seine aufmüpfige Schülerin rausschmeißen. Bevor er das tut, kommt Estellas Mutter ihm zuvor und nimmt die Tochter von der Schule. Das Ziel ist London. Ein Neustart. Doch einen Schicksalsschlag später steht Estella als Waisenkind da und muss sich notgedrungen mit zwei kleinen Dieben zusammenschließen. Zehn Jahre später ist das Geschäft des Trios ein Einträgliches. Estella näht tolle Verkleidungen, mit denen die drei auf Beutezug gehen. Bald jedoch fühlt sie sich zu Höherem berufen – eine Modedesignerin, das wärs, was sie gerne wäre. Doch um damit erfolgreich zu werden, muss sie es mit der Besten in der Branche aufnehmen, der Baroness …
1961 inszenierte Wolfgang Reitherman mit 101 Dalmatiner den 17. abendfüllenden Spielfilm von Walt Disney und bediente sich dafür einer Romanvorlage, die einige Jahre zuvor erschien. Die Geschichte der beiden Dalmatiner Pongo und Perdita, die vor der ruchlosen Modedesignerin Cruella de Vil (Na, wer hat den Nachnamen noch NICHT am Stück geschrieben und sich gewundert, was er dann liest?) fliehen, die aus ihrem gepunkteten Fell einen Mantel machen möchte, rührte zahllose Generationen zu Tränen. 35 Jahre später gab’s dann ein Realfilm-Remake des Stoffes, in dem Glenn Close herrlich böse die Cruella gab, während man sich sehr nahe am Originalstoff hielt. Nun, weitere 25 Jahre danach rebootet man das Ganze, bzw. schickt eine Art Prequel an den Start.
Als Cruella darf nun Emma Stone ran und zeigen, dass auch in ihr eine herrlich durchtriebene Modedesignerin steckt. Oder eher nicht zeigen. Denn wie so viele andere Filme, so geriet auch Cruella unter die Räder der Covid-19-Pandemie. Eine flächendeckende Kinoauswertung war nicht möglich. Deshalb entschloss sich Disney auch dazu, den Realfilm über die Geschichte, die der Maus-Konzern ursprünglich im Zeichentrickfilm 101 Dalmatiner angelegt hatte, parallel über seine Streaming Plattform anzubieten. Das Gesamteinspiel blieb trotz guter Zahlen sicherlich hinter den Möglichkeiten zurück. Vielleicht kann der physische Release nun aber noch mal einen Push geben. Die Veröffentlichung auf Silberscheibe ist vor allem deshalb zu begrüßen, weil man sich sogar zu einer UHD-Blu-ray hat durchringen lassen. Und das an Highlights wahrlich nicht reiche Heimkinojahr 2021 bekommt mit Cruella tatsächlich einen veritablen Hit – jedenfalls, wenn man sich den Film unter bestimmten Gesichtspunkten anschaut. Doch dazu später mehr.
Bereits die erste Viertelstunde ist derart temporeich, dass sie wie im Flug vorbeigeht. Das liegt nicht nur an der flotten Inszenierung, sondern auch (und vor allem) am opulenten Set-Design und der jungen Tipper Seifert-Cleveland, die Estella als kleines Mädchen spielt. Man muss ein großes Lob an die Casting-Agentur aussprechen, die hier eine perfekte Entsprechung einer jungen Emma Stone gefunden hat. Frech, gewitzt und doch liebenswürdig porträtiert sie die junge Estella, auf dass der Zuschauer sie sofort ins Herz schließt. Schade eigentlich, dass nach einer Viertelstunde Emma Stone übernimmt. Wobei: auch nicht wirklich. Denn deren Performance ist eigentlich wieder einmal oscarverdächtig. Wenn Sie nach 50 Minuten den Wandel zu Cruella vollzieht, sieht man Ihr den Spaß an der Übertreibung in jeder Sekunde an. Wenn Sie von netter Graumäusigkeit auf Dominator wechselt, ist das wirklich herrlich. Spätestens wenn sie zu Blondies One Way or Another auf einem Roller einen Burnout in die überraschte Menge dreht, verziert mit einem Gesichts-Tattoo, das den Schriftzug „Future“, hat man das Gefühl, Vivienne Westwood hätte gerade ihre genialste Guerilla-Aktion gefahren. Ohnehin wirkt die Cruella in dieser Realfilmadaption wie eine Celluloid gewordene Westwood, die sich durchaus etwas gebauchpinselt fühlen darf, wenn sie sich den Film anschaut.
Ebenso großartig wie Stone ist aber auch die andere Emma, die Thompson. Was sie in ihrer Rolle als Baroness an Überheblichkeit, Geringschätzigkeit und Arroganz an den Tag legt, dürfte der eigentlich höchst charmanten und liebenswerten Schauspielerin einen Höllenspaß gemacht haben. Dermaßen extrovertiert hat man sie lange nicht gesehen. Und ebenso viel Spaß macht es dem Zuschauer, ihr dabei zuzuschauen – beispielsweise, wenn sie aus reiner Freude ein paar ihrer Angestellten mit einem Elektro-Taser traktiert. Die beiden Emmas gehen aufgrund ihres tollen Schauspiels glücklicherweise in all dem Pomp und Bombast der Ausstattung nicht unter und tragen den Film locker über die stattliche Laufzeit von 133 Minuten. Und weil zwei tolle Schauspielleistungen noch nicht reichen, gibt’s noch Nebenfiguren, die wirklich klasse funktionieren. Beispielsweise Jamie Demetriou in der Rolle des Geschäftsführers des Liberty Department Stores. Seine aus Angewidertheit und verklemmter Scham kombinierte Darstellung ist göttlich. Aber auch in Joel Fry und Paul Walter Hauser hat man ein toll aufspielendes Diebe-Duo gefunden. Selbst wenn die Figuren Horace und Jasper komplett anders angelegt sind als in der Animationsvorlage.
Dazu liest sich der Soundtrack zum Film wie ein Who is Who der 70er. Über 30 Klassiker verwöhnen das Ohr. Von Supertramps Bloody Well Right über Stones‘ Sympathy for the Devil bis hin zu Iggy Pops I Wanna be Your Dog. Und immer wird das treffend zur Szene, bzw. dem Inhalt gesetzt. Manchmal derart plakativ, dass es schon ein bisschen „drüber“ wirkt. Diese übermäßige Anreicherung von bekannten Songs wird nicht wenigen Zuschauern zu viel des Guten sein, während andere sie als Tempomacher begrüßen dürften. Doch der inflationäre Nutzen von Filmmusik ist nicht das größte Problem des Films. Womit wir beim eingangs erwähnten „dazu später mehr“ wären. Denn ein noch größeres Problem hat Cruella an anderer Stelle: Er funktioniert so richtig nur als eigenständiges Werk, nicht als Prequel zu 101 Dalmatiner oder dessen Realverfilmung mit Glenn Close. Die gepunkteten Hunde beispielsweise hätte es überhaupt nicht gebraucht. Sie wirken wie ein notgedrungenes Zugeständnis an die Originalgeschichte. Überdies trifft Regisseur Gillespie oftmals den Ton nicht richtig. Abgesehen von der oft düsteren Atmosphäre wird hier ständig von Tod und Mord gesprochen, was mitunter in ziemlich schockierenden Bildern umgesetzt oder angedeutet wird.
Die Skrupellosigkeit der Figuren, die sie einerseits zwar interessant macht, bietet gerade für jüngere Zuschauer bald keinerlei Identifikationsmöglichkeit mehr – oder, noch schlimmer: eine zweifelhafte Identifikation. Umso ärgerlicher, dass die FSK hier nach They Want me Dead erneut falsch geurteilt hat und den Film ab sechs Jahren freigab. Das ist, mit Verlaub, ein ordentlicher Griff ins Klo. Selbst in den USA hatte Cruella ein PG-13-Rating – und dort geht man mit Gewaltdarstellungen und Brutalität oft weniger zimperlich um. Dass das Drehbuch den Figuren insgesamt (und trotz stattlicher Laufzeit) zu wenig Tiefe gibt, ist ein weiterer Fakt. Cruella stellt Optik und Stil über Substanz – ganz unabhängig davon, dass die Optik wirklich grandios ist. Ein mögliches Sequel könnte sicherlich noch weiter ergründen, warum aus Estella die böse Cruella werden konnte, aber dieser Film hier liefert dafür zu wenig nachvollziehbare Gründe.
Während man das gegenüber der Baroness noch versteht, bleibt völlig unerklärt, warum sie sich auch gegenüber Jasper und Horace von einer Sekunde zur nächsten eiskalt, abweisend und arrogant verhält. Das passt, wie die beiden richtig feststellen, so gar nicht zu dem Mädchen, das sie zehn Jahre zuvor am Brunnen aufgelesen hatten. Und der Film erklärt auch nur äußerst lapidar, warum sich die beiden Diebe dennoch weiter in Cruellas Dienst stellen, obwohl sie sich so schlecht behandelt fühlen. Das Dumme daran: Schielt man auf den Original-Animationsfilm, so ist Cruella trotz ihrer schlussendlichen Überheblichkeit immer noch nicht böse genug, um als jüngere Version jener Dame durchzugehen, die dereinst unbedingt einen Mantel aus Hundefellen anfertigen will. Wie gesagt: In puncto Tonalität ist das bisweilen unglücklich.
Cruella ist ein höchst unterhaltsamer und wirklich famos gespielter Film, dessen Ausstattung unbedingt oscarnominiert gehört. Als Prequel im Kanon des Animationsfilms von 1961 funktioniert er allerdings nur leidlich gut. Wer das außen vor lässt, kann 130 Minuten Spaß haben. Wer aber auf die filmhistorische Entwicklung der Figur gesetzt hatte, muss zwangsläufig etwas enttäuscht werden.
Autor: Timo Wolters - Copyright Szenenfotos: © 2021 Disney Enterprises Inc. All Rights Reserved
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