Rezension des Films: Mary Poppins Rückkehr. London in den 30ern: Die als Kinder von Mary Poppins besuchten Michael und Jane Banks sind mittlerweile Erwachsene. Michael ist allerdings aktuell in der Klemme. Immer noch trauernd über den Tod der Frau muss er sich um seine drei Kinder alleine (…)
offizieller Trailer zu Mary Poppins Returns
London in den 30ern: Die als Kinder von Mary Poppins besuchten Michael und Jane Banks sind mittlerweile Erwachsene. Michael ist allerdings aktuell in der Klemme. Immer noch trauernd über den Tod der Frau muss er sich um seine drei Kinder alleine kümmern. Und dann ist er auch noch mit den Raten fürs Haus in Verzug geraten. Als die Gläubiger auftauchen und ihm offenbaren, dass er sein Haus verlieren wird, ist er noch verzweifelter als zuvor. Und dann fegt auch noch ein Sturm über die Gegend, der Georgie fast am Ende eines Drachens in die Luft reißt. Wenn da nicht Mary Poppins wäre, die das Flugobjekt am oberen Ende festhält und gemeinsam mit ihm (und natürlich ihrem Schirm) gen Boden schwebt.
Während die drei Kids verblüfft sind und ihren Augen kaum trauen, freuen sich Michael und Jane natürlich über das Wiedersehen mit der kaum gealterten Nanny aus der Vergangenheit. Und vielleicht schafft Mary es ja sogar, die Katastrophe abzuwenden … Supercalifragilisticexpialigetisch – Mit dem wohl berühmtesten Zungenbrecher der Filmhistorie sammelte Mary Poppins vom Jahre 1964 an mit jeder Vorführung und jeder Wiederholung im TV neue Freunde. Kaum jemand, der den gut gelaunten Kindermädchen-Film nicht gesehen hat und dabei nicht mindestens eine Träne verdrückt hat. Es ist aber auch zu süß, wenn die Realdarsteller mit gezeichneten Pinguinen Stepptanz betreiben. Und Julie Andrews in der Titelrolle ist ebenso fantastisch wie Dick van Dyke als Bert. Jetzt könnte man fragen: Wenn das Original auch heute noch so viele Freunde hat und neue Fans nachwachsen lässt – warum dann eine Fortsetzung mit ähnlicher Struktur? Nun, vielleicht weil gute Laune einfach immer den richtigen Zeitpunkt hat.
Denn wenn Mary Poppins‘ Rückkehr eins mit dem Original gemein hat, dann den unbedingt positiven und frohgemuten Geist. Und vielleicht auch deshalb, weil es noch eine andere Geschichte zu erzählen gab. Denn während es im Original darum ging, die Familie (deren Bankiersvater kaum Zeit für die Kids hatte) zusammen zu führen und etwas für die Aufmerksamkeit gegenüber ärmeren Menschen zu tun, ist der familiäre Zusammenhalt in der Fortsetzung nicht das Problem. Vielmehr geht’s darum, die Existenz des Quintetts aus Kindern, Vater und Tante zu sichern. Das sorgt immerhin dafür, dass gerade Michael noch einmal damit konfrontiert wird, dass er sich bisweilen in etwa so verhält wie sein eigener Vater gut 30 Jahre zuvor. Auch das Bedrohungs-Szenario ist vergleichbar. Während im Original der Erste Weltkrieg drohte, hängt in der Fortsetzung das Damokles-Schwert der Weltwirtschaftskrise über dem Geschehen. Dem setzt Mary Poppins‘ Rückkehr eine ebenfalls extrem fantasievolle Mischung aus Real- und Comic-Szenen gegenüber.
Erstmals gelangen die Protagonisten nach etwa 43 Minuten in ein Zeichentrickland. Und was damals funktionierte, ist auch heute noch ein extrem charmanter Kniff. Gerade weil es sich um 2D-Animationen im klassischen Stil handelt und nicht um moderne 3D-Animation, fühlt man sich nicht nur ein bisschen in der Zeit zurück versetzt. Während die Optik (sieht man von ein paar modernen und eher unpassenden Animationen ab) wirklich gut funktioniert, fehlt’s dem Sequel aber vor allem ein einem: Songs mit hohem Wiedererkennungswert. Hits wie „Supercalifragilisticexpialigetisch“ oder „Wenn ein Löffelchen voll Zucker“ findet man hier einfach nicht.
Die Gesangsnummern sind zwar nett und auch überzeugend synchronisiert, im Ohr bleiben sie aber kaum. Dafür, so viel Ehre muss sein, werden sie überzeugend vorgetragen. Denn neben Emily Blunt agiert ein blendend aufgelegter Lin-Manuel Miranda (Das wundersame Leben von Timothy Green) als Nachtwächter Jack. Seine Spielfreude ist immens und im Original besteht er selbst neben der grandiosen Blunt. Die ist im Übrigen die absolut perfekte Besetzung. Man mag ja keine Königinnen vom Thron stoßen und Julie Andrews ist wirklich klasse im Original. Aber Emily Blunt steht ihr in nichts nach. Keine könnte besser die selbstbewusste, manchmal etwas schnippische Nanny aus einer anderen Welt verkörpern.
Wenn sie bisweilen entnervt auf das Verhalten der beiden erwachsenen Banks reagiert, ist das schon ein großer Spaß. Außerdem bewies sie schon in Into the Woods, dass sie mit Musical-Nummern sicher umzugehen weiß. Dazu gibt’s einen (ziemlich schrägen) Gastauftritt von Meryl Streep und Colin Firth schaut als Bankleiter auch auf. Dass sich der Film auf die Kids und das Zusammenspiel mit Poppins konzentriert, die beiden Eltern allerdings fast links liegen lässt, ist gerade für die Fans des Originals sehr schade. Man hätte sich durchaus noch einige Szenen gewünscht, in denen Mary den beiden auf den Zahn fühlt; sie ermahnt, dass sie wieder in alte Verhaltensmuster gefallen sind.
Zwischendurch hat man bei einer Gesamtlänge von 130 Minuten schon mal das Gefühl, dass Szenen etwas künstlich in die Länge gezogen oder hinein geschnitten wurden. Für gut eine halbe Stunde lang weiß man zwischendurch auch mal nicht so richtig, wo die Story überhaupt hin möchte. Um das zu kompensieren, kann man sich auf die hübsch choreografierten Gesangsnummern konzentrieren, die durch tolle und atmosphärische Sets führen (klasse bspw. die Nummer im Nebel nach 80 Minuten) und die wirklich Freude machen. Freude übrigens, die man Dick van Dyke ansieht. Der zum Produktionszeitpunkt 93!-jährige Akteur legt in seinem kurzen Auftritt eine bemerkenswerte Leichtfüßigkeit an den Tag – klasse!
Mary Poppins Rückkehr wiederholt nicht die Originalität und den traumwandlerischen Charme des Vorgängers von 1964. Vielleicht sollte man ihn aber auch nicht daran messen, sondern für sich betrachten. Und da funktioniert das Musical mit Fantasy-Elementen vor allem für Kids ganz prächtig. Die Erwachsenen dürfen derweil der unwiderstehlichen Emily Blunt zuschauen und sich zum wiederholten Male in eine ihrer Schauspiel-Leistungen verlieben.
Autor: Timo Wolters - Copyright Szenenfotos: Walt Disney Company
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